Wie es dazu kam, in ein Tiny-House zu ziehen
Hätte ich im Vor-Corona-Sommer 2019 über mein Wohnen schreiben wollen, wäre keine Geschichte entstanden, die besonders erwähnenswert wäre. Damals nannte ich mich seit einem guten Jahr Eigentümer einer gemütlichen Doppelhaushälfte im norddeutschen Fachwerkstil, in der ich schon zuvor etliche Jahre als Mieter gelebt hatte. Mit dem Kauf hatte ich im Grunde für mich beschlossen, dass ich dort auch noch länger bleiben wollte. Mit meiner Ex-Partnerin wohnte ich dort auch nach unserer friedlichen Trennung gemeinsam weiter als WG, auch wenn dies nur ein Projekt auf Zeit werden würde und ich mich zu fragen begann, was ich allein mit knapp 120 unterkellerten qm Wohnfläche anfangen sollte, würde der Tag kommen, an dem sie zu ihrer neuen Partnerin zog.
Hätte mir damals jemand geweissagt, dass heute, knapp vier Jahre später, zwei gescheiterte WG-Projekte hinter mir liegen und ich den unterschriebenen Kaufvertrag für ein Tiny House in den Händen halten würde, ich hätte wahrscheinlich herzhaft gelacht.
Doch der Reihe nach.
Ehe jedoch genau das konkret wurde, sich über den möglichen alleinigen Verbleib in dieser Doppelhaushälfte Gedanken zu machen, öffnete sich eine andere Tür. In meinem Wohnort stand eine alte Wassermühle zum Verkauf. Schon Jahre zuvor hatte ich mit diesem Objekt geliebäugelt, war jedoch aufgrund des immensen Sanierungsaufwands davor zurückgeschreckt. Mittlerweile waren jedoch die wesentlichen Dinge erneuert. Ein Teil der Mühlenanlage ist im Besitz einen Fördervereins, in dem ich seit vielen Jahren ehrenamtlich mitwirke. Ich war in einer neuen Beziehung, einer der gemeinsamen Nenner war die Idee, in einem Altbau auf dem Lande eine Land-WG zu gründen. So begannen wir zunächst zu dritt, wenig später zu viert, im Corona-Sommer 2020, die begonnene Sanierung zu vollenden und konnten im Spätsommer auch einziehen. Doch trotz vielerlei vorbereitender Gespräche und eines intensiv ausgearbeiteten GbR-Vertrags zeigte sich zu schnell, dass die Vorstellungen des Zusammenlebens, aber auch Grundeinstellungen zum Leben und zu unserem Sein auf der Erde immer weiter auseinander glitten.
Nach einem guten Jahr mit immer mehr Downs und kaum noch Ups zogen es meine Partnerin und ich vor, das Projekt zu verlassen – nur um alsbald in einem weiteren, gerade frisch sanierten Altbau ein neues Land-WG-Projekt zu gründen. Diesmal nicht in Eigentümergemeinschaft, sondern zur Miete. Das Haus, das wir bezogen, war nach über 40 Jahren Dornröschen-Schlaf von einem enthusiastischen Paar, das sich auf die Fahnen geschrieben hatte, alte Häuser vor dem Verfall zu bewahren, entdeckt und wieder hergerichtet worden. Wir zogen ein mit einer befreundeten dreiköpfigen Familie, die den Sprung aufs Land aus dem Speckgürtel der nächstgelegenen Großstadt wagte. Aber dann letztlich schnell feststellte, nicht wirklich anzukommen im dörflichen Leben. So entschied sich Die Kleinfamilie, den Weg zurück in die Stadt wählen zu wollen. Und Anfang diesen Jahres war es dann konkret: Unsere WG würde nur noch wenige Monate Bestand haben. Einen dritten Anlauf, wieder Menschen für ein WG-Projekt zu finden, davor scheuten meine Partnerin und ich mich. Und kurz darauf sollten sich auch unsere Wege als Paar trennen. Und damit denn auch räumlich.
Mein erstes Halbjahr 2023 ist sehr bewegt. Alle Lebensbereiche einmal upside down. Beruflich entschied sich, künftig den Schwerpunkt auf die Freiberuflichkeit zu legen. Keine feste Beziehung mehr, sondern eine offene. Ich bekam ein Apartment auf Strynø als regelmäßigen Anlaufpunkt angeboten und griff zu. Doch ganz dorthin aussteigen will ich angesichts der beruflichen und privaten Entwicklungen – zumindest in absehbarer Zeit – nicht.
Ein Arbeitsschwerpunkt liegt auch in Zukunft in der Region, in der ich jetzt lebe. Und ich bin schon auch beheimatet in dem Dorf, das mir bereits seit dreizehn Jahren Wohnort ist. Zugleich ist nicht so klar, wohin die Reise gehen wird. Absehbar ist, dass ich künftig deutlich mehr unterwegs sein werde und zudem immer wieder längere Zeiten am Stück auf Strynø sein will.
Also: Das Thema WG ist erst mal durch. Allein eine Wohnung zu beziehen, die doch häufig leer stehen wird, fühlt sich nicht stimmig an. Was also drängt sich da fast auf? Ein Tiny House!
Fasziniert schon hatte ich in den letzten Jahren verfolgt, wie eine meiner Schwestern für eine Übergangszeit in einem Bauwagen lebte. Das Leben auf begrenztem Raum, materiell reduziert, eine geringe Fläche für sich beanspruchend, sprach mich umgehend an. Dann lernte ich Ende 2022 ein Pärchen kennen, das erzählte, ganzjährig in einem großen Wohnwagen auf dem Campingplatz am Rande meines Wohnortes zu leben. Die beiden hatten eine große Wohnung frisch bezogen und waren dann für mehrere Wochen nur mit einem Seesack bestückt nach Island gereist. Mit der Erfahrung, wie gut man mit dem Wenigen klar kommen kann, das in einen Seesack passt, kam ihnen ihre große Wohnung unverhältnismäßig vor. Also gaben sie diese in beeindruckender Konsequenz wieder auf, reduzierten sich materiell und bezogen ihren Wohnwagen auf dem Campingplatz. Auch hier wieder spürte ich eine ähnlich große Faszination wie am Leben im Bauwagen meiner Schwester. Ich inspizierte den Campingplatz. Und fand eine Parzelle in nächster Nachbarschaft zu den beiden, die mir sofort zusagte. Und ein paar Dörfer weiter wurde ich auf ein Muster-Tiny-House aufmerksam, das ich ebenso ohne lang zu zögern kaufte. Ein neues Abenteuer in meiner Wohnbiografie kann beginnen...